Tibetische Medizin

Sowa Rigpa, im Westen eher als tibetische Medizin bekannt, bedeutet wörtlich “Wissenschaft des Heilens” – und es handelt sich hierbei um ein ganzheitliches Behandlungssystem, welches sowohl den Körper, die Sprache und auch den Geist mit einbezieht und in den buddhistischen Lehren verwurzelt ist. Sie zählt zu den ältesten aktiven und gut dokumentierten medizinischen Traditionen dieser Welt und neben dem asiatischen Kontinent selbst, z.B. in Nepal, China/Tibet, den Himalaja-Regionen von Indien, Bhutan und in der Mongolei — wird diese auch in Russland praktiziert. Immer beliebter wird sie auch in unseren westlichen Gefilden, also in Amerika und Europa.

Grundsätze

Die Grundsätze der TM basieren auf der Lehre von den fünf grundlegenden Elementen, aus welchen die Welt besteht, nämlich Wasser, Feuer, Erde, Wind und Raum. Diese kommen in der Welt um uns, wie auch in unserem eigenen Körper über drei Energien zum Vorschein. Die drei Energien im Körper werden in der tibetischen Medizin und als lung, tripa und beken bezeichnet. Wenn diese Elemente, bzw. Energien sich harmonisch zueinander verhalten, so resultiert dies in Gesundheit und einer hohen Lebenserwartung. Wenn diese jedoch aus dem Gleichgewicht geraten, so verursachten sie Krankheiten.

Das Ziel

Das Ziel der TM ist die Erreichung eines Gleichgewichts von Körper und Geist, welches die Grundlage unseres Glücks ist. Durch das richtige Funktionieren von Körper und Geist fördern wir den Fluss der Lebenskraft und -energie und erfahren dadurch eine Linderung von physischen und mentalen Spannungen. Dieser Prozess umfasst auch die Arbeit an einem selbst, an den eigenen Angewohnheiten und auch die Überwindung von aufkommenden Hindernissen. Diese wirkt reinigend und ist manchmal auch anspruchsvoll und fordernd, doch dank ihr sind wir in der Lage die Ursache unserer Beschwerden zu ermitteln und letztendlich zum inneren Gleichgewicht und zur Kraft zu gelangen.

Diagnostik

Die Diagnostik beruht in der TM auf dem Gespräch des Arztes mit dem Patienten oder dessen Verwandten. Gleichermaßen wichtig sind auch Pulsdiagnostik, Diagnostik des Urins, der Augen, der Zunge und bei kleinen Kindern wird vor allem die Ohrendiagnostik genutzt. Bestandteil dieses Prozesses ist auch die Bestimmung der physischen Konstitution, die ja eine Kombination der oben genannten Energien lung, tripa und beken darstellt. Die Behandlung basiert auf der Beziehung zwischen Arzt und Patient, gegründet auf Vertrauen, Respekt und der Befolgung der ärztlichen Empfehlungen.

Geschichte

Buddha der Medizin (tib. Sangye Menla)

Die tibetische Medizin ist eine durchaus praktische und aktive Wissenschaft. Bis in die heutige Zeit wird diese vom Lehrer auf den Schüler mittels einer kontinuierlichen Transmission (eine sog. “Linie”) überliefert. Deshalb ist es auch so wichtig, diese Transmission hier zumindest kurz vorzustellen. Der erste Mensch, welcher buddhistische medizinische Lehren weitergab, war der historische Buddha Shakyamuni (563 – 483 v. Chr.). Er lehrte diese in Indien, nahe dem heutigen Godhgaya, im “Wald der Medizin”, ferner in Varanasi, Uddiyana (ein historischer Teil des heutigen Pakistan, Afghanistan und Ost-Indien) und auch an anderen Orten Indiens.

Von Indien nach Tibet gelangten buddhistische medizinische Lehren in vier hauptsächlichen Transmissionen. Die frühen Transmissionen erfolgten:

  • im 2. Jahrhundert dank den buddhistischen Meistern Bimale Gjatse und Bimale Latse (skt. Bidzhii Gahdzhe und Belha Gahdzema)
  • im 8. Jahrhundert über Guru Rinpotsche (skt. Padmasambhava) und seine Partnerin Jesche Cchogjal, wie auch dank dem bedeutenden Arzt Yuthok Yönten Gönpo dem älteren.

Die späten Transmissionen wurden schließlich nach Tibet erneut übertragen:

  • im 11. Jahrhundert mittels Atischa
  • im 13. Jahrhundert war es der Yuthok Yönten Gönpo der jüngere.

Die tibetische Medizin wurde auch durch andere Kulturen beeinflusst, z.B. Griechenland, Persien, Kaschmir, Uddiyana, Ladakh, Nepal, Sikkim, Bhutan, China und Indien. Seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts gelangen buddhistische Lehren, einschließlich der medizinischen – von Tibet allmählich auch in den Westen. Heute gibt es in den westlichen Ländern bereits zahlreiche Bildungsinstitutionen, wo von Fachleuten die tibetische Medizin weitervermittelt wird. Zu diesen zählt auch das Sowa Rigpa Institut im Rahmen der Sowa Rigpa Stiftung in Deutschland, unter Leitung von Amtschi Anna Elisabeth Bach.

Durch die Absolvierung des Medizinstudiums im Osten erlangt der Absolvent den Titel Amtschi (entspricht etwa unserem Dr. med.). Dies ist der Fall z.B. beim tibetischen medizinischen und astrologischen Institut im indischen Dharamsala (tib. Men Tsee Khang). Neben den offiziellen Schulen wird TM auch auf traditionellem Wege weitervermittelt – nämlich direkt in den jeweiligen Ärztefamilien. Hier werden jahrtausendealte (Er)Kenntnisse von einer Generation auf die andere weitergegeben, wodurch diese unversehrt und aktiv erhalten werden.